Todesangst und Lebenswunsch

Der Umgang mit der Gewissheit über den unmittelbar bevorstehenden Tod, fällt niemandem leicht. Diagnosen ohne Aussicht auf Heilung führen zwangsläufig zu einem emotionalen Ausnahmezustand mit unbeschreiblichen Belastungen für sich selbst und das gesamte soziale Umfeld. Das Ende des eigenen Lebens vor Augen zu haben ist bedrückend und Angst einflößend. Der Schock, den eine derartige Nachricht auslöst, sitzt tief und scheint zunächst unüberwindlich. Wie geht es weiter, was kommt auf mich zu?

Wir achten darauf, diesen Fragen möglichst sachlich zu begegnen. Unsere Besucher merken schnell, dass man bei uns fragen darf und soll“, so die Hospizpflegefachkraft Barbara Schnöll. Neben einer guten Schmerztherapie gehe es vor allem auch darum, Hoffnung zu vermitteln. Keine Hoffnung im Sinne von Heilung, aber Hoffnung, dass man seinen Weg aufrecht zu Ende gehen könne, ohne an dieser Situation zu verzweifeln.

Die Besucher fragten sich unter anderem, ob sie noch einen Urlaub buchen könnten, ob sie weiterhin mit dem Auto fahren sollten, ob sie aufgrund der Medikamente überhaupt keinen Alkohol mehr trinken dürften, denn nächstes Wochenende würde die Geburtstagsfeier des Bruders stattfinden und dergleichen. „Wir sagen dann: Nehmen Sie Ihre Medikamente bitte ein, damit Sie schmerzfrei sind und dann trinken Sie doch auch ein Glas Wein oder Sekt und haben Ihren Spaß bei der Geburtstagsfeier“, so Schnöll. Bei den Antworten auf die zahlreichen Fragen gehe es vor allem darum, die Menschen darin zu bestärken, ihr Dasein nicht vollends der traurigen Gewissheit des bevorstehenden Abschieds unterzuordnen.

Die Tatsache, dass wir sterben, ist natürlich im Grunde zutiefst erschreckend“, so Gilbert Weiss-Lanthaler, der in seiner Praxis als freier Psychotherapeut sowohl im oberösterreichischen Braunau als auch in der Stadt Salzburg tätig ist. Nach seinen Erfahrungen nehmen Angststörungen in unserer Gesellschaft in letzter Zeit generell zu. Das beinhalte die Angst vor dem Sterben ebenso wie die Angst vor dem Tod. Die beste Möglichkeit damit umzugehen sei immer noch, sich dieser Angst zu stellen und ihr so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Angst vor dem Tod könne sich auch in Panikattacken, Schweißausbrüchen oder Herzrasen manifestieren. Als Therapeut gelte es dann, die Betroffenen zu stabilisieren, sie beispielsweise mit speziellen Atemtechniken aus diesem unangenehmen Zustand zu befreien, sie behutsam zum Ort der Angst zu begleiten und ihre ganz persönlichen Ängste gemeinsam zu betrachten. „Hinter der Angst vor dem Tod verbirgt sich oft auch die Angst vor dem Leben. Es gilt also die Angst vor dem Leben, das immer gegenwartsbezogen ist, abzulegen“, erklärt Weiss-Lanthaler.

Natürlich gäbe es unterschiedliche Umgangsformen mit dem Thema Tod und mannigfaltige Varianten der Verdrängung – auch noch im Angesicht des Todes. Manche Menschen konfrontierten sich und ihr Umfeld schonungslos mit dem bevorstehenden Ende, andere würden sich dafür entscheiden, der Auseinandersetzung mit dieser beklemmenden Situation lieber auszuweichen. Gerade dieses Verdrängen des eigenen Todes könne natürlich dem verständlichen Wunsch entspringen, dem Tod gewissermaßen noch ein Schnippchen zu schlagen.

Gleichzeitig konstatiert Weiss-Lanthaler aber auch, dass es eine wichtige psychische Leistung sei, den eigenen Tod zu verdrängen. „Aber die Angst ist auch eine Via Regia zum Leben. Sie hat letztlich den Sinn, dass sie uns etwas zeigt. Sie zeigt uns im Grunde den Wert des Lebens. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein.“

Im Wissen um den unmittelbar bevorstehenden Tod sei es empfehlenswert, sich diese Wahrheit auch einzugestehen und bewusst zuzumuten. Menschen, die sich ihrem Tod stellen würden, die ihn ein Stück weit auch akzeptierten und annähmen, gelänge es Weiss-Lanthalers Erfahrung nach auch häufiger, noch unerfüllte Wünsche tatsächlich zu verwirklichen. Egal, ob es sich dabei etwa um eine Aussöhnung mit bestimmten Menschen handelt, die man anstrebt oder ob man unbedingt noch einmal Orte aufsuchen möchte, die im bisherigen Leben von großer Bedeutung waren.

Wie aber soll man nun konkret eine Hiobsbotschaft, die den nahen Tod betrifft, tatsächlich bewältigen? Welche Wege und Strategien gibt es zur Überwindung jener undefinierbaren Leere und bedrückenden Niedergeschlagenheit, die daraus beinahe zwangsläufig resultiert? Im Alltag schaffen es die meisten ganz gut, latent vorhandene Gedanken an den Tod zu verdrängen. Und das mit gutem Grund. Das Thema drückt aufs Gemüt, beeinträchtigt Lebensfreude und Konzentrationsfähigkeit. Manche aber quälen sich und räumen den Gedanken an die eigene Endlichkeit oder jene von Angehörigen viel, manchmal vielleicht sogar zu viel Zeit ein. Wer gesund ist, kann sich das Leben damit zweifellos unnötig schwer machen. Aber jene, die sterbenskrank sind? Welches Wechselspiel zwischen einer letzten intensiven Phase des Lebens und dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit erleben sie, wo doch ihr größter Wunsch meist darin besteht, noch möglichst lange weiterleben, also hier bleiben zu dürfen?

Interessante Aspekte dazu hat ein 47-jähriger Tiroler zu berichten, dessen Vater 2006 an Bauchspeicheldrüsenkrebs verstarb und sein 77-jähriger Onkel nur wenige Tage vor unserem Interview. Sein Vater hatte ein gutes Leben geführt, sein Geschäft verpachtet und konnte sich so 25 Jahre lang seinem Hobby, der Kunst, widmen. Er betrieb zuletzt in Tirol und Deutschland sogar einige Galerien. Bilder, Skulpturen und Fotos nahmen eine bedeutende Rolle in seinem Leben ein. Selber war er nicht künstlerisch tätig. „Aber sich mit Kunst zu beschäftigen, war wie Urlaub für ihn“, erfahren wir.

Sein Vater dachte immer, er könne nicht an Krebs erkranken. Er fühlte sich psychisch stets gesund. Und seiner Meinung nach hatte Krebs immer auch eine psychische Ursache. Umso schockierender empfand er daraufhin den Eintritt seiner eigenen Erkrankung. „Die Problematik hat er dann sicher negiert. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte“. Alle seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Diagnose der Ärzte etwa drei bis sechs Monate „Rest-Lebenszeit“ bedeuten würde. Sein Vater allerdings verdrängte diesen Umstand offensichtlich mit großem Geschick. Ähnlich wie später sein Bruder. „Der Onkel sagte immer, im Winter müsse er noch etwas erledigen. Sie gehörten beide der alten Generation an. Sie gingen so gut wie nie zum Arzt, ließen sich kaum behandeln. Sie haben immer viele Schmerzen ausgehalten. Der Verfall schritt dann wirklich schnell voran. In beiden Fällen“.

Manche der Besucher im Krankenhaus wären mit der Diagnose des Vaters schlichtweg überfordert gewesen. „Er sitzt doch ganz normal da, als ob er völlig gesund ist“, hatten sie ihm gegenüber gemeint. „Ich hätte meinem Onkel gerne gesagt, dass er keine Chance mehr hat. Auch bei meinem Vater habe ich das nicht gemacht, hätte es aber gerne getan“. Beide Krankheitsverläufe seien schließlich in einem irrsinnig schnellen Tempo vorangeschritten. Die Brüder wollten es eben nicht wahrhaben, wie rasch es letztendlich vorbei war. „Hätte ich mit ihnen darüber gesprochen, hätten sie die Vorbereitungen für sich beginnen können“. Allerdings befanden sich in beiden Fällen noch mehrere andere Patienten im Krankenzimmer, deren Prognosen mindestens ebenso schlecht waren. Unter diesen Umständen gestaltete es sich schwierig, offensiv mit der Realität umzugehen und die Dinge beim Namen zu nennen. Als Trost bleibe ihm aber immerhin der Gedanke an die Worte des Vaters: „Ich habe mein Leben gelebt.“

Der Umgang mit dem Tod ist eine ambivalente Angelegenheit. Phasenweise erschreckend, gibt es aber auch Momente, in denen man es schafft, seiner eigenen Endlichkeit mit einer Brise Gelassenheit zu begegnen. Die Hospizbegleiterin Gudrun P. meint etwa: „Der Tod ist für mich kein großes Schreckgespenst. Ich habe keine riesige Angst vor dem Mysterium Tod, aber ich könnte auch nicht behaupten angstfrei zu sein, wenn ich morgen sterben müsste“.

Viele jener, die sie begleitet habe, hätten sich weniger vor dem Tod geängstigt, als vielmehr vor der Art und Weise wie sie sterben würden. Sterbenskranke quält häufig primär die Frage, ob und welche Schmerzen sie haben werden. Dass es sich für Gläubige leichter stirbt, denn für Atheisten, glaubt Frau P. jedenfalls nicht. Sie habe einerseits Menschen erlebt, die der Meinung waren, nach dem Tod sei das Nichts – Lichtschalter aus. Andererseits würde sie aber mindestens ebenso oft auch Gläubige begleiten, die an ein Weiterleben im Himmel glaubten oder fest mit ihrer Wiedergeburt rechneten. Manche Menschen entdeckten gegen Ende ihres Lebens überhaupt erst ihren Glauben. „Ich erlebte eine Frau, die aufgrund ihrer schweren Krebserkrankung der Kirche wieder beitrat. Sie betete dann auch viel und wandte sich dem Glauben wieder zu“, schildert Gudrun P. eine offenkundig durchaus nicht seltene Verhaltensweise.

Zu wissen, man sei sterbenskrank und habe nicht mehr allzu lange zu leben, manövriert uns geradezu zwangsläufig in eine emotionale Ausnahmesituation. „Dann gibt es unterschiedliche Stimmungen. Es kommen auf jeden Fall die Augenblicke der großen Angst, der Einsamkeit und Verzweiflung. In diesen Momenten ist oft das Einzige, das hilft, ein Mensch, der bei einem ist. Manchmal ist es aber auch wichtig, alleine zu sein. Dieses Wechselbad der Gefühle zeigt sich oft“, erklärt der Psychotherapeut Gilbert Weiss-Lanthaler.

Nicht wenige, die sich plötzlich mit einer erschütternden Diagnose konfrontiert sehen, entschlössen sich für jenen Weg im Umgang mit dem Tod, den üblicherweise auch Gesunde wählen, nämlich die des Ausweichens. Man ignoriere einfach die Diagnose, wolle das Unausweichliche schlichtweg nicht wahrhaben und verdränge die beklemmenden Umstände weitest möglich.

Am Beispiel eines 36-jährigen Patienten, der an Lungenkrebs litt, habe sich des besonders deutlich gezeigt, berichtet eine Hospizbegleiterin, die an dieser Stelle anonym bleiben möchte. Obgleich sich die Metastasen bereits in seinem gesamten Körper ausgebreitet hätten, blendete er das bevorstehende Ende völlig aus. „Er glaubte ganz sicher daran, dass er geheilt werde. Er wollte vor einer riesigen Menschenmenge stehen und darüber berichten, dass Gott ihn geheilt habe.“ Bei so viel Zuversicht falle es selbst erfahrenen Hospizmitarbeitern schwer, wahrhaftig zu bleiben. Und dennoch: „Wenn er mich gefragt hätte, ob jemand in diesem Zustand schon einmal geheilt worden sei, dann sage ich ehrlich: ‚Nein, leider’“.

Betroffene, die in Salzburg in das stationäre Hospiz kommen, werden zunächst aufgeklärt. Sanft aber klar. Elisabeth Helminger erzählt von Patienten, die während der Visite über ihren Zustand genau informiert wurden. Am nächsten Tag beim Besuch der Ärzte kam wieder die Frage: „Was habe ich eigentlich, warum bin ich hier?“ Teilweise gehe das drei Tage hintereinander so. Es gäbe einfach Menschen, die es nicht wahrhaben wollen und können. „Jeder hat einfach seinen eigenen Umgang damit“, so die Seelsorgerin.

Manche hätten aber schlicht und ergreifend auch nur überhaupt kein Interesse daran, sich über ihr eigenes Ende mit anderen Menschen auszutauschen. Die Angst vor dem Tod müssten diese Patienten dann eben ganz alleine bewältigen. Die zahlreichen Facetten der Angst vor dem eigenen Tod dürften allerdings, egal ob man darüber spreche oder nicht, dieselben bleiben. Man fürchte sich vor einem plötzlichen Tod oder davor, dass Sterben ein sehr schmerzhafter, langwieriger Prozess sein könne. Weiters, dass der Tod selber ein schlimmer Zustand sei, manchmal aber auch nur vor dem Gedanken, dass man selber unwiederbringlich ausradiert wird, weil es eben doch keinen Himmel gibt und auch keine Hölle, für immer und ewig weg sei, wie das Licht einer verlöschenden Kerze.

Andere fürchteten vor allem die Endgültigkeit, dass sie mit Menschen, die sie lieben, nie mehr beisammen sein können. Weitere Ängste kreisten um bestimmte Ziele, die man sich im Leben gesetzt hat, nun aber definitiv nicht mehr erreichen wird. Martin Böker berichtet etwa von einem Mann, der die Markteinführung seiner eigenen Erfindung nicht mehr miterleben konnte. Er wurde vom Tod um die Lorbeeren seines Schaffens und Lebenswerkes gebracht.

Die Angst vor dem Sterben resultiert also gewissermaßen aus einem Sammelsurium von individuellen Ängsten, die durchaus auch körperliche Auswirkungen nach sich ziehen können, wie etwa Albträume und Schlafstörungen bis hin zu Panikattacken. Einige nutzen Gespräche mit engen Vertrauten oder Therapeuten, um diese Ängste besser bewältigen zu können. Mit steigender Tendenz werde aber auch die unzählige Möglichkeit in Anspruch genommen, sich in Internetforen (anonym) auszutauschen.

Hallo,

ich habe seit einiger Zeit schreckliche Angst vor dem Tod und dem, was danach kommt. Ich habe Panikanfälle. Mir wird ganz heiß und mein Herz rast wie verrückt. Ich könnte schreien und heulen, aber nichts hilft.

Ich habe diese Angst schon immer gehabt, konnte sie aber bis vor kurzem immer erfolgreich verdrängen. Nun vergeht kaum noch ein Tag, an dem ich nicht daran denke. Ich will wieder lachen können, ich will keine Angst mehr haben. Ich will mein Leben wieder genießen“, schrieb ein unbekannter Blogger und drückte gleichzeitig seine große Wertschätzung für das Forum aus, in dem er sich mitteilen und ohne eigene Bloßstellung austauschen kann.

Andere bemühen sich, ihren Mitmenschen die Angst vor dem Tod ein wenig zu nehmen, indem sie auf die Postings eingingen. Es sind dabei offensichtlich schon zahlreiche „digitale Selbsthilfegruppen“ entstanden. Eine gewisse Emilia schrieb etwa:

Hallo zusammen!

Ich weiß nicht, mit wem ich darüber reden könnte, deswegen habe ich mich diesem Forum angeschlossen. Mein Problem ist, dass ich extreme Angst habe vor dem Tod! Das Schlimmste daran ist für mich diese Endgültigkeit! Dass es kein Zurück mehr gibt, dass man sich für immer von einem Menschen, den man liebt, verabschieden muss und ihn nie wieder sieht! Dieser Gedanke macht mich krank! Ich mache mir einfach zu viele Gedanken darüber, das war schon immer so! Für mich gibt es einfach nichts Schlimmeres im Leben! Wie soll ich nur lernen damit umzugehen?“

Die Antworten und Vorschläge dazu waren vielfältig.

Wenn Du die Wahrheit wissen möchtest – die steht nur in der Bibel“, lautete eine davon.

Nachdenklich stimmen Postings, wie das folgende:

Es erscheint uns unvorstellbar, getrennt von Familie, Freunden und geliebten Menschen zu sein; und diese, unsere eigene Existenz, mit unseren Ideen, Wünschen und Träumen aufgeben zu müssen. Doch: Um etwas zu betrauern oder zu bedauern, bedarf es unseres Bewusstseins. Mit dem Tod endet auch jeder physikalische beziehungsweise biologische Prozess in unserem Körper inklusive des Gehirns. Das bedeutet, dass kein Bewusstsein mehr vorhanden ist. Wir also aufhören, Sinneswahrnehmungen zu interpretieren und aufhören, innerhalb unserer Umwelt zu interagieren.

Ist also kein Bewusstsein mehr vorhanden, ist es nicht mehr möglich, unsere scheinbare Nichtexistenz zu bedauern. Womit alle Ängste, die dich zu Deinen Lebzeiten plagen, keine Bedeutung mehr haben:

Der Tod ist ein Ort, an dem wir nicht sind. Und dort wo wir sind, ist der Tod nicht vorhanden. Also hab keine Angst, auch wenn ich Deine Ängste, wie wahrscheinlich jeder Mensch, sehr gut nachvollziehen kann. Da ich, als ich noch sehr klein war, dieselbe Angst hatte und manchmal deswegen auch nachts wach lag “, schrieb ein gewisser Arne. *1

Gilbert Weiss-Lanthaler beantwortet die Frage, welche Bedeutung in dieser Lebensphase eigentlich gemeinsame Erinnerungen mit nahestehenden Menschen habe, folgendermaßen: „Sie helfen in so einer Situation, und zwar vor allem dann, wenn diese Menschen nicht das Gefühl haben, ihr Leben eigentlich ,versäumt‘ bzw. nicht richtig gelebt zu haben.“ Leichter sei dies klarerweise für ältere Menschen, während bei jungen Leuten die Dramatik hinzukomme, dass ihr Leben entgegen allen Erwartungen plötzlich und viel zu früh abgebrochen werde. Im Zusammenhang mit Erinnerungen bezieht er sich auf den bekannten Psychiater Viktor Emil Frankl, der die These vertrat, dass die Verzweiflung an der Vergänglichkeit des menschlichen Daseins gewissermaßen auf einer optischen Täuschung beruhe: „Man sieht nur das Stoppelfeld der Vergänglichkeit, aber man übersieht die vollen Scheunen des Vergangenseins. Und wer von der Torschlusspanik ergriffen ist, der hat vergessen, dass das Tor, das sich da zu schließen droht, eben das Tor einer vollen Scheune ist“, schrieb Frankl.

Alle Erfahrungen unseres Lebens, alle Tränen der Trauer und Freude, alles Erlebte im Positiven als auch im Negativen finden Platz in unserer „Scheune des Lebens“. Dort hineinpacken können wir unseren ersten besten Freund, den Beginn unserer Schulzeit, die erste Liebe, eine schmerzhafte Trennung, berufliche oder sportliche Erfolge, den Verlust eines geliebten Menschen, die Geburt und das Heranwachsen eigener Kinder und vieles mehr.

Elisabeth Helminger erinnert sich an Patienten, die ihr Schicksal durchaus annehmen könnten und aktiv versuchen würden, mit dem bevorstehenden Tod ins Reine zu kommen. „Die gibt es. Da kommt dann immer die Frage nach den Angehörigen hinzu, weil die ja meistens noch ein paar Schritte hinter dem Stadium des Patienten dran sind“, erklärt sie. Je näher die Patienten dem Tod seien, je weniger Ausdrucksmöglichkeiten sie hätten, umso mehr Begleitung würden die Angehörigen von ihr benötigen und annehmen. Dabei sei viel Fingerspitzengefühl gefragt.

Sich nahe stehende Menschen hätten eben unterschiedliche Zugänge zueinander. „Es gibt welche, die sich wirklich innig lieben, es gibt jene, die aus Pflichtgefühl kommen. Es gibt welche, die einfach schon nicht mehr können, weil alles schon über Jahre geht, keine Ressourcen mehr vorhanden sind. Manche sind einfach froh, wenn es vorbei ist“, so Frau Helminger. Es gäbe aber auch Familienmitglieder, die sich Vorwürfe machten, weil sie ihre Angehörigen ins Hospiz bringen und sie nicht mehr zu Hause pflegen. Die Selbstzweifel blieben selbst dann noch bestehen, wenn es eigentlich schon völlig unmöglich geworden sei, die Pflege im eigenen Heim zu schaffen.

Es gibt Menschen, die sich bereits damit abgefunden haben, dass sie sterben werden und dann kann trotzdem noch einmal eine Depression kommen“, weiß die Seelsorgerin zu berichten. Andere wiederum hielten bis zuletzt an ihrer Einstellung fest, okay ich werde bald sterben, aber ich genieße einfach noch jeden einzelnen Tag, der mir bleibt. Sie sagten sich, ich schaue einfach einmal, was ich dem Tag noch an Leben abringen kann. „Das tun sie dann auch. Wenn also beispielsweise ein bestimmtes Essen gewünscht wird, dann schaffen wir dieses Essen herbei.“

Aus dem Buch “Die Zeit der letzten Wünsche”

*1 Quelle aller Forumseinträge: Geistige Nahrung – Dein Forum: „Extreme Angst vor dem Tod“ abgerufen unter: http://www.geistigenahrung.org/ftopic9912.html, am 8. November 2012