Mit 81 endlich im Traumberuf

Das Leben erzählt manchmal Geschichten, die man selbst der Fantasie eines begabten Drehbuchautors nicht zutrauen würde. Frau Margot Opferkuch lebt in Salzburg und fühlt sich mit 81 Jahren noch fit. Sie ließ es sich trotz fortgeschrittenen Alters nicht nehmen, ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Seit 1954 war sie als Angestellte in unterschiedlichen Apotheken tätig. Da ihre beiden Schwiegereltern innerhalb eines Jahres verstarben, unterbrach sie ihre Karriere als Pharmazeutin, um ihren Mann, der aus einer bekannten Textilunternehmerfamilie stammte, zu unterstützen und übernahm während dieser nicht immer einfachen Zeit die Personalangelegenheiten in seiner Firma.

Frau Opferkuch sieht sich als Feministin. Sie war auch Gründungsmitglied des Salzburger Clubs der „Business and Professional Women“. „Im Textilunternehmen hatten wir einhundert Mitarbeiter und wir waren die ersten in Salzburg, die einen Betriebskindergarten vorweisen konnten. Doch das Spatzennest nahm damals noch niemand in Anspruch. Wir waren einfach zu früh dran damit“. 1998 schließlich wurde das Unternehmen ihres damals 68-jährigen Mannes, der 2003 an den Folgen eines Karzinoms verstarb, aufgelöst.

Ich denke, mein Mann hätte sich über die Erfüllung meines lang gehegten Wunsches gefreut“, ist sich Frau Opferkuch gewiss. Seit sie ihre Arbeit als Apothekerin aufgenommen hat, also seit Mitte der 1950er Jahre, verfolgte sie hartnäckig das Ziel, als selbstständige Unternehmerin tätig zu sein. 58 Jahre später war es dann endlich so weit. Sie konnte sich ihren Wunsch erfüllen und ihre eigene Apotheke „Zur Sonne“ eröffnen, fantastischerweise in einem Alter, in dem andere schon lange ihren Ruhestand genießen. Die letzten dreizehn Jahre, während sie auf die Konzessionserteilung warten musste, war sie noch als angestellte Apothekerin tätig gewesen.

Ihre Geduld und ihre Beharrlichkeit haben sich aber gelohnt. „Als ich die Konzession beantragte, war ich noch jünger“, so die wohl älteste „Jungunternehmerin“ Österreichs. In Pension zu gehen sei für sie nie in Frage gekommen. „Ich bin glücklich, arbeiten zu können.“ Zu ihren Stammkunden zählt sie vor allem nette Damen und Herren, meist fortgeschrittenen Alters. Sie mag diesen Beruf deshalb so gern, weil sie die Menschen ebenso liebt, wie die Geheimnisse der Pharmazie. Zur Zeit des Interviews waren erst wenige Wochen seit der Eröffnung ihrer Apotheke vergangen. „Ich bin gerne selbständig. Als Angestellte ist man immer im Hintergrund.“ Auf die Frage, ob sie es auch genieße, Chefin zu sein, antwortet die gebürtige Tirolerin ganz offen: „Irgendwie schon, freilich.“

Ihr Leben habe sich auch insoweit verändert, als nun doch etwas mehr zu tun sei als früher. „Für mich ist es aber kein Stress. Ich hasse dieses Wort. Die ganze Welt steht unter Stress. Sobald jemand etwas mehr zu tun hat oder sich anstrengen muss, steht er unter Stress. Als ich groß geworden bin, gab es das nicht. Es wurde viel gearbeitet, aber man hat auch einmal die Zeit gefunden, sich auf eine Bank zu setzen“, so die 81-Jährige. Überhaupt bedauere sie, dass es das so genannte „Bankerlsitzen“ wie früher kaum noch gibt. Damals sei man nach einem meist anstrengenden Arbeitstag immer mit der Familie und Freunden zusammen gesessen. „Wir haben Gedanken ausgetauscht, den Abend einfach genossen. Heute hat jeder etwas anderes zu tun. Einer besucht das Fitnessstudio, der andere geht ins Kino und der nächste geht laufen.“

Ihren Mann lernte die Apothekerin damals noch als Mittelschülerin, während einer Tanzstunde in Salzburg kennen. Bevor sie ihn im Jahr 1957 heiratete, absolvierte sie in Innsbruck ihr Studium der Pharmazie. Sie ist Mutter von vier Kindern, liebt die Musik von Franz Schubert und die Lyrik von Eduard Mörike. Sport betreibe sie, so gut es eben noch gehe. Eine Muskelatrophie erlaube es nicht mehr, heute noch so aktiv zu sein, wie sie es früher einmal war. „Wenn man keine 50 mehr ist, braucht der Muskel etwas länger, bis er sich wieder aufbaut“, meint sie dazu lapidar. Golf spiele sie trotzdem noch und auch Schwimmen gehe sie ab und zu.

Die Frage, ob der späte Schritt in die Selbständigkeit eine große Genugtuung für sie bedeutet habe, beantwortet sie gewohnt gelassen: „Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man seinem Wunsch, dem man sehr lange nachgehängt hat, erfüllen kann. Oder wenn er erfüllt wurde. Das ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk. Ich bin Christin, ich glaube, dass so etwas einfach ein Geschenk des Himmels ist. Auch, dass man so lange gesund sein darf, was ja nicht selbstverständlich ist“. Zu den Geschäftszeiten findet man sie meistens in ihrer Apotheke, also täglich von 9 bis 17 Uhr. Samstags hat die Apotheke „Zur Sonne“ vier Stunden lang geöffnet. Dass daneben auch noch ein Haushalt zu führen sei, erscheine ihr nicht weiter erwähnenswert.

Als Mädchen habe sie eigentlich Medizin studieren wollen. Da aber die Zeiten schlecht und die finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern sehr begrenzt gewesen seien, schwenkte sie auf Pharmazie um. Ihre Tante wäre nämlich ebenfalls schon Apothekerin gewesen und außerdem habe ihr das frauenfreundliche Berufsprofil in dieser Branche immer schon gefallen. „In diesem Bereich wurde bereits 1890 auf Teilzeitbasis gearbeitet“, betont sie nicht ohne Stolz und Selbstbewusstsein auf ihren Berufsstand.

Am wichtigsten im Leben sei die Disziplin, ist die 81-Jährige überzeugt. „Es ist ratsam, einen gewissen Lebensrhythmus zu haben. Man darf sich so gut es geht nicht gehen lassen. Je älter man wird, desto wichtiger ist die Disziplin. Der Alltag ist im Alter nicht mehr so leicht zu bewältigen, wie man das möchte, aber man muss sich bemühen, die Kraft die man hat auch einzusetzen.“

Mit dem Geschäftsgang in ihrer Apotheke sei sie durchaus zufrieden. Natürlich wolle sie, dass noch mehr Kunden zu ihr kommen. Immerhin beschäftige sie vier Angestellte. „Ich wünsche mir auch, dass die Kunden zufrieden sind. Das, was sich eben ein jeder wünscht, der ein Unternehmen hat“, erklärt Frau Opferkuch.

Ihr Lebensmotto? „Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand.“

Aus dem Buch “Die Zeit der letzten Wünsche”