Grabgestaltung ist „gemeinsame Angelegenheit“ nächster Angehöriger
In einer seinerzeit viel beachteten Entscheidung vom 17.12.2003, 7 Ob 285/03t, ÖJZ-LSK 2004/109 = RZ 2004,138 = EvBl 2004/106, 500 = EFSlg 104.593 = SZ 2003/176, hat der Oberste Gerichtshof richtungsweisende Parameter vorgegeben, wie Zerwürfnisse im Zusammenhang mit der Grabgestaltung in rechtlicher Hinsicht zu lösen sind.
Dem Fall zugrunde lag ein Streit zwischen Halbgeschwistern, deren gemeinsame Mutter im Jahr 2000 verstorben war. Ihrem Wunsch entsprechend, wurde sie im Grab des bereits 1959 verstorbenen Vaters der Klägerin beigesetzt, dessen Grabstein damals die Inschrift trug: „Alois B*****, geb. am 16. 01. 1931, gest. am 03. 06. 1959″.
Als die Beklagte anstelle des mit der Inschrift des Vaters der Klägerin versehenen alten, jedoch noch relativ gut erhaltenen Grabsteins (auf dem es auch möglich gewesen wäre, die Inschrift der Mutter anzubringen), einen neuen Grabstein anschaffen wollte, stimmte dem die Klägerin zwar zu, bestand jedoch darauf, dass auch auf dem neuen Grabstein wiederum der Name ihres Vaters aufscheine.
Die für die zweite Grabinschrift anfallenden Mehrkosten in Höhe von rund ATS 3.000 wollte sie aber nicht tragen, sodass die Beklagte schließlich nur Daten der Mutter eingravieren ließ.
Die Klägerin empfand dies als pietätlos und sah das Grab ihres Vaters „entweiht“.
Mit Klage vom 20.09.2002 begehrte sie, ihre Halbschwester schuldig zu erkennen, „am Grabstein des Familiengrabes am P***** Friedhof in I*****, Grabstätte Ost 48/56, die Inschrift ‚Alois B*****, geb. am 16.01.1931, gest. am 03.06.1959‘ und zwar in derselben Größe und Güte wie die bereits vorhandenen Inschriften, direkt unter der untersten Namensinschrift platziert auf ihre Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution anbringen zu lassen“ und obsiegte in allen drei Instanzen.
Der Oberste Gerichtshof hielt in seiner eingangs zitierten Entscheidung rechtlich dazu Folgendes fest:
Soweit mit bestehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften (etwa Friedhofsordnungen) vereinbar, müssten grundsätzlich die Vorgaben und Wünsche der verstorbenen Person respektiert werden.
Durch die Beisetzung der gemeinsamen Mutter beider Streitteile im verfahrensgegenständlichen Grab wäre sowohl die Frage der Gestaltung des Grabes, als auch jene des Grabsteins zu einer ‑ ungeachtet ihrer erbrechtlichen Stellung – „gemeinsamen Angelegenheit“ beider Schwestern als nächste Angehörige der Verstorbenen geworden, deren Bedeutung und Ausformung für beide Beteiligten vom Standpunkt der Pietät, aber auch der gepflogenen Übereinstimmung geprägt sei.
Indem sie zwar nicht absprachewidrig den Grabstein austauschen, jedoch absprachewidrig nur unvollständig neu beschriften ließ, müsse insoweit von einer eigenmächtigen Verfügung der Beklagten ausgegangen werden.
Ungeachtet seiner durch Widmung und Aufstellung erfolgten Qualifikation als res religiosa, sei zwar eine Veränderung im Einverständnis aller Angehörigen der im gemeinsamen Grab Ruhenden keineswegs ausgeschlossen.
Der Oberste Gerichtshof habe aber bereits in einer älteren Entscheidung ausgesprochen, dass „die Entfernung von Grabinschriften solcher Personen, denen das Grab gewidmet war, eine Pietätsverletzung und Kränkung der (dort wie hier) Klägerin als der nahen Angehörigen dieser Toten in einem schutzwürdigen Empfinden, also einem Rechtsgute persönlicher Art, bedeutet“, woraus sich „die Verpflichtung der (dort wie hier) Beklagten ergibt, den früheren Zustand wiederherzustellen“, wobei sich die Beurteilung im Einzelfall auch am „allgemeinen sittlichen Empfinden“ im Rahmen des „Familientotenrechts“ zu orientieren habe.
Jede eigenmächtige Entfernung einer auf dem Grabstein angebrachten Inschrift ist damit rechtswidrig und ohne Willensübereinstimmung aller beteiligten Angehörigen einseitig nicht gestattet.
Fotonachweis:
Foto und Fotobearbeitung: Lina Eibl, © Copyright 2022