Was bedeutet „Vertretungsvorsorge“ im Verlassenschaftsverfahren?
Das österreichische Verlassenschaftsverfahren ist traditionell ausgesprochen fürsorglich gestaltet.
Um die Verlassenschaft und die Wahrung aller Parteiinteressen kümmern sich das Verlassenschaftsgericht und der nach der Geschäftsverteilung zuständige Notar als Gerichtskommissär, sodass in den allermeisten Fällen ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist.
Vereinzelt kann sich allerdings das Erfordernis einer so genannten „Vertretungsvorsorge“ für gewisse Parteien, für den ruhenden Nachlass oder für unvertretene Pflegebefohlene ergeben, woraufhin durch das jeweils zuständige Gericht (Verlassenschaftsgericht oder Pflegschaftsgericht) Abhilfe zu schaffen ist.
Im Verlassenschaftsverfahren wird dabei zwischen folgenden Kuratoren unterschieden:
„Kollisionskuratoren“: für Minderjährige oder sonstige Pflegebefohlene, jeweils bei Interessenskollisionen im Verhältnis zu ihren gesetzlichen Vertretern;
„Substitutionskuratoren (Posteritätskuratoren)“: für noch nicht gezeugte, letztwillig Bedachte (zB Nacherben);
„Kuratoren für die Leibesfrucht (Nasciturus)“: für bereits gezeugte, aber noch nicht geborene Personen;
„Abwesenheitskuratoren“: für bekannte Erben oder Pflichtteilsberechtigte, deren Aufenthaltsort unbekannt ist;
„Verlassenschaftskuratoren“: für den ruhenden Nachlass;
„Gesetzliche Vertreter“: für Minderjährige und sonstige Pflegebefohlene ohne gesetzlichen Vertreter;
„Separationskuratoren (Absonderungskuratoren)“: für die Separationsmasse bei gerichtlich angeordneter Nachlassseparation;
Üblicherweise entscheidet über die Bestellung und Enthebung dieser Kuratoren das Verlassenschaftsgericht.
Nur ausnahmsweise ist das Pflegschaftsgericht zuständig, nämlich zur Bestellung und Enthebung von Vertretern für Personen, die ihre Angelegenheiten im Allgemeinen nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst erledigen können, also vor allem für Minderjährige oder (etwa aufgrund einer Krankheit oder Behinderung) erwachsene Schutzbedürftige. Zu denken ist hier beispielsweise an den Fall, dass ein Verstorbener selbst der (alleinige) Vertreter Pflegebefohlener war oder die psychische Beeinträchtigung einer Partei überhaupt erst im Laufe des Verlassenschaftsverfahrens zutage tritt.
Sämtliche Kuratoren sind auf Antrag oder von Amts wegen zu bestellen. Infolge des im Außerstreitverfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatzes ist allerdings vom Verlassenschaftsgericht sämtlichen Hinweisen auf eine möglicherweise erforderliche Bestellung eines Kurators stets in jeder Lage des Verfahrens nachzugehen.
Flankierend sieht zum Schutz Betroffener § 5 Abs 4 AußStrG vor, dass alle laufenden Notfristen unterbrochen werden, sobald das Gericht eine Verfahrenshandlung im Zusammenhang mit der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters vorgenommen hat.
Diese Fristen beginnen erst mit Rechtskraft der Entscheidung über die Bestellung des gesetzlichen Vertreters wieder neu zu laufen.
Fotonachweis:
Foto und Fotobearbeitung: Sarah Hettegger, © Copyright 2018