Vermisst und verschollen!

Zum Stichtag 04.05.2015 galten 866 Personen (davon 379 Minderjährige) in Österreich als vermisst, 583 männlich, 283 weiblich (www.polizei.gv.at/lpd_docs/919.pdf).

In Deutschland wies die Polizeidatei „Vermisste / Unbekannte Tote“ im September 2015 rund 11.500 Fälle auf (www.bka.de/DE/ThemenABisZ/Vermisstensachbearbeitung/vermisstensachbearbeitung).

Diese Register und Statistiken werden erst seit wenigen Jahrzehnten geführt. Nicht erfasst, aber keineswegs vergessen sind die unzähligen Kriegsvermissten beider Weltkriege. Sie treten von Zeit zu Zeit mit vollem Namen und ihrer seinerzeitigen familiären Stellung in Erscheinung, wenn ihre Angehörigen für Sie Wohnrechte, Heimkehrrechte, Versorgungsrechte oder sonstige Ausgedinge vorgesehen hatten, die bis heute in den Grundbüchern vermerkt sind.

Die aktuellen Eigentümer erinnern sich vage an einen Bruder der Großmutter oder eine Tochter des Urgroßonkels, denen diese Rechte seinerzeit als Sicherheit „für den ledigen Stand“, zur sonstigen Absicherung oder einfach nur aus purer Zuneigung eingeräumt wurden, wohl nicht ahnend, dass sie dereinst nach dem Krieg verschollen bleiben würden.

So kommt es rund 70 bzw 100 Jahre später manchmal noch zu einem Innehalten und stillen Gedenken an Menschen, die mit Ausnahme verblassender Inschriften auf Kriegerdenkmälern schon sehr lange niemandem mehr präsent waren.

Unzählige Schicksale werden so „durch den Grundbuchsstand“ in Erinnerung gerufen. Die meisten davon unterscheiden sich allerdings in einem wesentlichen Aspekt vom gemeinsamen Leid der Angehörigen aktuell vermisster Personen. Damals gab es einen Anhaltspunkt, einen absurden Grund: Krieg.

Seit dem Ende des II. Weltkriegs sind die Ursachen hingegen meistens offen. Freunde und Familienmitglieder, Ermittlungsbehörden und eine Vielzahl gemeinnütziger Organisationen setzen deshalb alles daran, diese Personen aufzufinden oder wenigstens eine Erklärung für ihre Verschollenheit zu gewinnen.

Es ist nur zu verständlich, dass sich in Zeiten dieses unerträglichen Bangens Jahre und Jahrzehnte lang niemand zu einer juristischen Klärung aufraffen kann.

Manchmal führt jedoch kein Weg daran vorbei, sei es wegen dringlicher Veranlassungen im Unternehmensbereich, bei Immobilien oder sonstigen Vermögenswerten, im Rahmen anderer Verlassenschaftsverfahren, weil die vermisste Person eine bedeutsame Rolle bei der Erbfolge und Pflichtteilsbemessung einnimmt, wegen eines Wiederverehelichungswunsches, oder einfach nur mit der Ambition, dadurch wenigstens ein kleines Stück Aufarbeitung zu versuchen.

Den Verfahrensablauf, die Voraussetzungen und Fristen dazu regelt in Österreich das Todeserklärungsgesetz 1950 (BGBl 23/1951 idF BGBl I 112/2003).

Demnach gilt als verschollen und kann für Tod erklärt werden, „wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hiedurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden“.

Keine Todeserklärung findet allerdings statt, wenn am Ableben kein Zweifel besteht (zB beobachteter tödlicher Absturz in eine Gletscherspalte) und bei jungen Menschen bis zum Ende des Jahres, an dem sie das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hätten.

Die allgemeine Frist beträgt zehn Jahre ab dem letzten Lebenszeichen. Sie verringert sich auf fünf Jahre für Verschollene, die zur Zeit der Todeserklärung das achtzigste Lebensjahr vollendet hätten, bei Kriegseinsätzen und anderen allgemein lebensgefährlichen Situationen je auf ein Jahr, bei Schiffsunglücken auf sechs Monate und bei Flugzeugkatastrophen auf drei Monate, wobei jeweils unterschiedliche Zeitberechnungsmethoden (bspw nach Friedensschluss im Kriegsfalle) und diverse Sonderregelungen zu beachten sind.

Solange ein Verschollener nicht für tot erklärt ist, gilt ex lege die Vermutung, dass er weiter lebt oder bis zum gerichtlich festgestellten Todestag gelebt hat. Ebenso wird im Zweifel vermutet, dass mehrere gestorbene oder für tot erklärte Menschen gleichzeitig verstorben sind.

Ist der Verschollene nach der Todeserklärung noch am Leben oder ist er an einem anderen Tag als am gerichtlich festgelegten gestorben, so können der für tot Erklärte, Personen, die an der Abänderung ein rechtliches Interesse haben (beispielsweise Erben) und die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung beantragen, welche sodann für und gegen alle Beteiligten wirkt.

Wenn der für tot Erklärte persönlich vor Gericht erscheint und die Aufhebung der Todeserklärung verlangt, so hat das Gericht, falls die Identität des Antragstellers mit dem für tot Erklärten unzweifelhaft feststeht, ohne weiteres Verfahren die Aufhebung der Todeserklärung auszusprechen“ und das Verlassenschaftsgericht hat zu verfügen, dass er sein bereits verteiltes Vermögen wieder erhält. Ebenso sind etwaige Obsorgemaßnahmen bei Kindern von für Tod erklärten Eltern rückgängig zu machen.

Edikte zur Todeserklärung werden unter www.edikte.justiz.gv.at veröffentlicht. Zum Stichtag 06.02.2016 enthält diese Liste inklusive Kuratorenbestellungen 45 offene Fälle österreichweit.