Frozen Guru

Seine Heiligkeit Shri Ashutosh Maharaj ist tot! Sagen die einen.

Er befindet sich nur im Zustand tiefster Meditation! Sagen seine Anhänger und haben ihn deshalb vorsorglich in ein Tiefkühllager gebettet, wo sie ihn verborgen halten zum Schutz vor einer Bestattung, vor allem aber auch vor seinen Angehörigen und der indischen Justiz.

Diese wunderbar amüsante, aber offenbar wahre Geschichte ist einem Artikel von Ulrike Putz im DER SPIEGEL 45/2014 mit dem Titel „Kalte Meditation“ zu entnehmen.

Natürlich betrifft die hier in außergewöhnlicher Weise zugespitzte Frage, wann ein Mensch nun als tot zu gelten hat, keineswegs nur spirituelle und rechtliche Belange. Vielmehr geht es um handfeste wirtschaftliche Interessen. Das Vermögen der Sekte wird immerhin auf rd € 130 Mio geschätzt.

Gehört es der Gemeinschaft als solcher, den Sektenmitgliedern, den über den gesamten Erdball verstreut lebenden Spendern, dem Guru persönlich oder im Todesfall seinen Angehörigen?

Wer darf über sein „Erbe“ einerseits im geistigen und andererseits im rechtlich-wirtschaftlichen Sinne verfügen? Lassen sich die unterschiedlichen Sphären dabei überhaupt auseinanderhalten?

Mit einem typisch westlich geprägten, überheblichen Reflex könnte man abkürzend argumentieren: „Das gibt’s vielleicht in Indien, aber doch nicht bei uns!“

Weit gefehlt!

Schon die Thematik, wann ein Mensch als tot zu bezeichnen ist, wird – jedenfalls in Österreich – keineswegs einhellig beantwortet. Ein Blick in die juristische Literatur zeigt, dass es dazu nur verschiedene „Meinungsstände“ gibt und seit geraumer Zeit üblicherweise vom „Hirntod“ ausgegangen wird, womit man bei der Frage nach dessen medizinischer Definition angelangt, aber noch immer zu keinem präzisen Ergebnis gekommen ist.

Im Todesfallbericht der indischen Ärzte ist dazu lediglich vermerkt, der 67 Jahre alte, schon etwas beleibte Erleuchtete dürfte an einem Herzinfarkt verstorben sein. Man habe jedenfalls keinen Puls, keinen Blutdruck, keine Atembewegungen, keine Reflexe und keine Ausschläge im EKG mehr feststellen können. Landläufig möchte man also annehmen, seine Heiligkeit sei tatsächlich verschieden.

Ist er es aber auch wirklich im erbrechtlichen Sinne oder muss man ihn zur Feststellung seiner Hirnströme extra aus dem mühselig und endlich erreichten „Samadhi“ erwecken?

Ein Blick in das hier einschlägige Personenstandsgesetz (PStG) bringt dazu wenig Erhellendes. § 28 PStG sieht nämlich ganz und gar auf eine effiziente technische Abwicklung ausgerichtete Regelung dahingehend vor, dass „die Anzeige des Todes … spätestens am auf den Todesfall folgenden Werktag im Datenfernverkehr durch Übermittlung an ein vom Betreiber des ZPR bezeichnetes Service (Arbeitsspeicher) zu erfolgen“ habe.

Diese „Anzeige des Todes obliegt der Reihe nach: dem Leiter der Krankenanstalt, in der die Person gestorben ist, dem Arzt, der die Totenbeschau vorgenommen hat, der Behörde oder der Sicherheitsdienststelle, die Ermittlungen über den Tod durchführt, dem Ehegatten oder sonstigen Familienangehörigen oder dem eingetragenen Partner, dem letzten Unterkunftgeber, sonstigen Personen, die vom Tod auf Grund eigener Wahrnehmungen Kenntnis haben.“

Was hingegen zu geschehen hat, wenn die in Frage kommenden Anzeigepflichtigen den Todeseintritt schon dem Grunde nach in Abrede stellen oder uneinig sind, lässt der österreichische Gesetzgeber unbeantwortet.

Besuchern des Ashrams dürften derlei Gedankenspiele aber ohnedies herzlich egal sein. Sie erfahren Trost in der Prophezeiung, ihr Anführer und Gründer der „Mission zur Erweckung des Göttlichen Lichts“ werde sich demnächst selbst erwecken, in etwa zwei, drei Monaten.

Dann wird sich alles offenbaren und auch für Juristen im fernen Europa ist alles wieder gut.